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MILITÄRPUTSCH: Warum ist Burkina Faso wichtig?

In Ouagadougou erhebt sich das Volk gegen die Militärdiktatur

von Ulrich Ladurner - In: Die Zeit, 20. November 2014

Denkmal auf dem Platz der Revolution in Ouagadougou (C: https://commons.wikimedia.org/wiki/User:Sputniktilt/Burkina_Faso#/media/File:Monument_place_de_la_revolution_Ouaga.jpg)

Blaise Compaoré regierte 27 Jahre in Burkina Faso. "Irgendwann werde ich die Macht abgeben", sagte er vor wenigen Wochen dem Magazin Jeune Afrique. Wann, das wolle er selbst bestimmen. Doch da irrte Compaoré. Als er versuchte, sich mittels Verfassungsänderung eine weitere Amtszeit zu genehmigen, fegte ihn das Volk aus dem Amt. Zehntausende gingen in der Hauptstadt Ouagadougou auf die Straße. Demonstranten stürmten das Parlament und besetzten die Radiostationen. Compaoré flüchtete. Das Militär
übernahm die Macht.

Ja, und? Ist das wichtig?

Burkina Faso ist ein kleines, bitterarmes Land mit wenig mehr als 16 Millionen Einwohnern; fällt nicht ins Gewicht, könnte man sagen. Doch die  Volksbewegung in Burkina Faso ist ein Beispiel für die demokratische Vitalität afrikanischer Gesellschaften: Die Demonstranten in Burkina Faso haben sich von der senegalesischen Jugendbewegung "Y’en a marre" ("Wir haben genug") inspirieren lassen, die 2012 dazu beitrug, den starrsinnigen, langjährigen Präsidenten Abdulaye Wade aus dem Amt zu drängen, der für eine dritte Amtszeit kandidieren wollte, obwohl die Verfassung das nicht vorsah. Y’en a
marre hatte bewiesen, dass Afrikaner ihre scheinbar ewig herrschenden Staatschefs auch auf friedlichem Wege loswerden können.
Jung, fröhlich und sehr entschlossen war Y’en a marre. Die Strahlkraft dieser Bewegung und die ihrer Nachfolgerin in Burkina Faso ist enorm. Sie zeigt das Gesicht des modernen Afrikas und ist von großer Bedeutung in einer Region, in der andererseits eine Terrorgruppe wie Boko Haram junge Männer anzieht. Boko Haram rekrutiert, wie es aussieht, auch Kämpfer in Burkina Faso und in Senegal.
Burkina Faso ist die Heimat eines Mannes, der bis heute viele Afrikaner inspiriert: Oberst <link http: de.wikipedia.org wiki thomas_sankara external-link-new-window external link in new>Thomas Sankara. Er kam 1983 durch eine Revolution an die Macht und installierte ein linksgerichtetes Regime, das viel Geld in soziale und in Entwicklungsprojekte steckte.
Sankara wollte die Verbindungen zum "imperialistischen Ausland" kappen. Seinen Staat, der damals noch Obervolta hieß, taufte er in Burkina Faso um. Der Name ist Programm: Burkina Faso bedeutet "Land der Ehrenwerten". Der Kampf gegen Korruption war einer der zentralen Programmpunkte Sankaras.
Im Oktober 1987 putschte die Armee mit stillschweigender Zustimmung der ehemaligen Kolonialmacht Frankreich, Sankara und 30 seiner Mitstreiter wurden erschossen. Der Anführer des Putsches war Blaise Compaoré.
Für viele ist Sankara ein afrikanischer Che Guevara, eine mythische Figur. Die jungen Demonstranten hören seine Reden, schauen Videos mit seinen Auftritten und zitieren ihn. Der Rapper Smockey, einer der Führer der Bewegung, zitiert ihn mit den Worten: "Eine entschlossene Jugend hat vor gar nichts Angst, nicht einmal vor einer Atombombe!"

Ja, und?

Hat nicht nach dem Sturz Compaorés ein Oberst die Macht in Ouagadougou
übernommen? Ist das nicht die altbekannte Geschichte? Nein, denn Oberst Isaac Zida geriet sofort unter Druck, vor allem durch die afrikanische Politik. Die Afrikanische Union reagierte ungewöhnlich schnell und hart: Wenn Zida die
Macht nicht innerhalb von zwei Wochen an Zivilisten übergebe, wolle man Sanktionen beschließen. Damit Oberst Zida dies auch verstehe, planten die Präsidenten Nigerias, Ghanas und Senegals noch für diese Woche einen Blitzbesuch in der Hauptstadt Ouagadougou.
Das wäre in etwa so, als würden Angela Merkel, François Hollande und Matteo Renzi gleichzeitig nach Belgien fliegen, um dort eine Regierungskrise zu lösen. So wichtig ist Burkina Faso.

COPYRIGHT: ZEIT ONLINE
ADRESSE: www.zeit.de/2014/46/burkina-faso-diktatur-demonstration-jugend
FOTO: „Monument place de la revolution Ouaga“ von Sputniktilt - Eigenes Werk. Lizenziert unter Creative Commons Attribution-Share Alike 3.0 über Wikimedia Commons - <link http: commons.wikimedia.org wiki file:monument_place_de_la_revolution_ouaga.jpg>commons.wikimedia.org/wiki/File:Monument_place_de_la_revolution_Ouaga.jpg

Nachtrag: Inzwischen waren die Staatschefs aus den benachbarten afrikanischen Ländern in Ouagadougou und haben mit dem notwendigen Nachdruck den Wunsch nach ziviler Führung des Übergangsprozesses deutlich gemacht. Die Übergangszeit ist nunmehr beschlossen, eine konsensual ausgerichtete Charta zur Regelung der Übergangszeit wurde verabschiedet. Die Führung wird von Zida auf einen zivilen Interimspräsidenten übergehen. Im November 2015 gibt es Neuwahlen sowohl für das Parlament als auch für das Präsidentenamt. Der Interimspräsident darf dafür nicht kandidieren.
Angesichts des unbefriedigenden Ergebnisses der vor allem vom Westen (Frankreich, USA aber auch Deutschland) erzwungenen schnellen Neuwahlen im Nachbarland Mali ist diese lange Übergangsfrist vielleicht doch der bessere Plan. Zu leicht würden schnell gewählte Nachfolger in die Fußstapfen des alten Regimes schlüpfen. Die in Burkina Faso vergleichsweise gut da stehende Zivilgesellschaft braucht auch Zeit um sich auf eine grundlegende auf Veränderung ausgerichteten Wahl vorzubereiten: programmatisch wie personell.
Hoffen wir, dass die begonnene gute Entwicklung sich in diesem Sinne auch in der kommenden Zeit bis zu den Wahlen und natürlich darüber hinaus fortsetzt. (RS)

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